Mein Jakobsweg 2006

06.07.2006 Poblacion de Campos - Sahagun

63. Tag


Bevor der Rest der Meute sich in Bewegung setzte, machte ich mich still und ruhig um 5:30 auf die Socken.
Heute sollte es schließlich bis Sahagun gehn. Was für ein Name...! Frühs läuft es sich wie von selbst.
Als die ersten 16km hinter mir lagen, (Villacazar de Sirga >>>Carrion de los Condes) gab es einen Cafe
und lecker Süßteilchen. Habe meinen Freund Heiner Loers wieder getroffen. Ein Profi-Rennradfahrer aus
Bad Füssen mit riesigen Oberschenkeln war auch on the Road. Der sagte mir, dass er so im Schnitt 120-150km
am Tag fährt. Naja, ist nicht so der spirituelle Klassiker aber auch er wird seinen Frieden finden.

Heute war es nun soweit, die Trockenstrecke von 17km, immer gerade aus in sengender Hitze nach
Calzadillo de la Cueza, rechts und links nur Felder, unten heißer Boden von oben die Mutter Sonne.
Jo, ein Stück Hölle auf dem Glaubensweg. Ca. 4.5km Asphalt dann Ackerweg.
Lange Weile machte sich breit und denken in dieser Situation und Hitze ist eh a Blödsinn. Also lernte
ich wieder Texte und sang was das Zeug hielt. Das nächste mal auf dem Camino, mehr Texte mitnehmen.
Singen ist für mich die beste Medizin in solchen Momenten. Man glaubt garnicht was einem für alte
Dinger einfallen. Leider bin ich nicht so drauf wie der berühmte Hape Kerkeling, der ja wirklich ein
erstaunliches Repertoire an Liedern beherrscht.

Unterwegs traf ich auf einen finnischen Caminogänger der sich mit Sehnenscheidehautentzündung
(Tendovaginitis) in den Schienbeinen plagte. Ich gab ihm zwei IBUHEXAL 400 und sagte ihm er solle
die sich in der nächsten Apotheke besorgen. Mir hats sofort geholfen. Ich möchte das nicht nochmal
bekommen. Da ist man echt im Ars.... mit den Schmerzen. Ich hätte so gern etwas zum lesen gehabt.
Ein Gesangsbuch..... ningel ningel. Bis Los Arcos wars auch brütend heiß aber keine 17km Niemandsland.
Lustige Amis mit genial gepakten Rucksäcken waren auf dem Weg. Musste ich fotoknipsen. ;-)
Lotterbande....;-)

Irgendwann bin ich dann auch mal angekommen und freute mich überschwinglich auf ein GRANDE CERVESA.
Ab in die Bar und nen Bier bestellt. Neben mir saßen 2 Österreicher und nebenan ne Deutsche. Die hat so'ne
gequirllte Scheiße gelabert, dass mir das Bier mehrmals aufgestoßen ist von ihrem verbalen Mist. Man, die
war gerade mal auf der Hälfte des spanischen Weges und machte hier die JoJoJo Dame. Ich hab das Buch
von Hape gelesen.
Diesen Satz bitte mit angepisster-kleinmädchen-nörgelstimme lesen. Für sie stand fest, dass man nicht
mehr als 18km am Tag laufen solle. Ist ja OK. Jedem seine Meinung, aber die Mehrgeher BITTE nicht für
bescheuert halten. An dieser Stelle des abschreibens muss kurz ein Glas Rotwein her. Man hat die mich
mit ihrem ziggenhaften Getue angewidert. Ich bin dann mal fort, hat sie ihren Freunden voller Stolz hinterlassen.

Eh mir bei ihrem gelabere das ganze Bier wieder hochkam, setzte ich meinen Weg fort. Bei mir waren es
heute halt 55.5km. Aber schön wars! Unterwegs traf ich einen Ami mit nur einem Bein und Krückstock
mit weiteren Leuten zusammen. Man hatte der ein Tempo drauf! Unglaublich wieviel Energie und Willenskraft
dahinterstecken muss, dass mit nur einem Bein zu gehn. Ichdrücke ihm die Daumen und hoffe ganz fest
das er es schafft!

So, nun noch 16km. Diese sollten sich schleppend dahinziehn wie ich später feststellte. Bin auf der Straße
weitergelaufen
um wenigstens etwas Abwechslung zu haben. Am Ende waren es wie schon erwähnt 55.5km.
Es war von der körperlichen Anstrengung nicht so schlimm, nur fehlt einem irgendwann der Antrieb.
Dieses:
Wennsd morgen hinkommst reicht auch. Es gibt da aber eine Gleichung: mehr km = neue Pilger/neue Gesichter

Die Sonne hat mich heute so aufgebrutzelt, muss morgen wieder mein langes Hemd anziehn und sehen das ich
Sonnencreme Faktor 24 oder höher bekomme.

Kurz vor Sahagun kam mir ein Pilger entgegen. Braungebrannt wie ein alter Zigeuner. Kam aber nicht zum
Gespräch da er sichtlich in Trance zu sein schien. Ich überlegte später noch lange nach woher, wieviel,
wieweit, warum, Gewicht, von-bis ect. Shit ich hätte ihn stoppen sollen.

Die Herberge in Sahagun war ausgezeichnet. Habe gerade noch so Glück gehabt mit nem Zimmer.
Ich weiß garnicht mehr warum ich heute unbedingt nach Sahagun wollte. Hatte ich doch paar Tage
zuvor schon so ne Hammertour hinter mir. Ich habe also eingecheckt und meine Sachen an mein Bett
gebracht. Danach ging ich Harald anrufen, denn die hier hatten nen Münztelefon im Refugio.
Als ich gerade so mit ihm am lanbern war, wen ich doch getroffen habe, sah ich ihn da schon die
Treppe herunterkommen......? JA, JOHANN BAUER! Ich winkte ihm gleich zu mir und gab, nachdem
ich Harald ne Ankündigung eines gemeinsamen Freundes machte, ihm den Höhrer in die Hand.

Vieleicht wegen diesem Moment bin ich heute hier nach Sahagun gelaufen. Es existieren für mich
keine Zufälle mehr. So muss es eine andere Kraft sein, die diese sensationell schönen Momente plant.
Nachdem ich mich einer gründlichen Dusche gewidmet hatte, gingen wir beide auf ein Bierchen.
Da man zu jedem Bier etwas zu Essen bekam war ich heute mal unhungrig. Ne tolle TapasBar.
Wir unterhielten uns wieder über Gott und die Welt. Ein sagenhaft netter, freundlicher,
ehrlicher und intelligenter Mann. Es war jedes Mal ne Freude ihm zu lauschen.

Meine Füße machten mir Sorgen. Meine Fußsohlen!!! Da waren Löcher und Risse drinn.
Ich wusste nicht ob es ein Pilz war oder ob es das Schwitzen war was meine Fußsohlen auffraß.
Aber da ich in Sandalen lief, müsste doch immer genügend Luft rankommen?!?!

Heute Abend gab es eine Fl. Rose 1.70,-€-Tintenfisch-Oliven-Brot zu essen. Beim Abendessen
gesellte sich eine nette Dänin zu mir. Sie sprach sehr gut deutsch und wir hatten jede Menge Spaß.
Ein älteres irisches Ehepaar lag neben mir. Der machte immer so gewisse Scherze und erzählete Witze.
Ein lustiger Kerl.
Die Beiden waren echt ne Wucht.
Mir viel wieder auf, dass ich mehr Kontakt zu älteren Personen habe als zu jüngeren. Da gab es
keinen jungen mit denen ich Kontakt hielt, nein, immer ältere Menschen. So wars früher schon
im Ferienlager, ich hielt mich immer an die Älteren - die Anderen. Als sie mich fragten wo ich
heute losgegangen war, machten sie das große Augen.

Ohne die Sorgen um meine löchrigen Füße wär es schon angenehmer, aber seis drum, es wird schon werden.

Heute war den ganzen Tag blauer Himmel, nix als blauer Himmel. Für 20sek. einen Wolke am Himmel die mir
Schatten spendet, nein dieses Glück hatte ich heute nicht. Harald ist heute Morgen in Leon losgelaufen.