Mein Jakobsweg 2006

18.05.2006 Lausanne - Rolle - Gland

14. Tag


Einen Wunderschönen guten Abend.
Es ist wieder mal soweit, Körperpflege - Fußbad - Waschen - Schlafen - Frühstücken.
All das war in dem YH hervorragend. Sind nach einem reichlichen Frühstück um
8:00Uhr gestartet.

Heute sollte es zunächst nach Rolle gehn was die Zeit von ca. 7Std. bedarf. Unterwegs in
Morges machten wir Bekanntschaft mit einem sehr netten älteren Pärchen was schon sehr
lange dort wohnt und deutsch spricht. Es ist immer wieder bestärkend und schön wie es die
Leute auffassen, dass man diesen Weg geht. Eigentlich gehen sie immer ein Stück mit
und sind`s nur einige Meter. Übrigens: das alte Schiff was in Morges im Wasser liegt, ist von
Arbeitslosen gebaut worden aber so erfuhren wir, noch nicht ganz fertig gestellt.

Ohne uns die Burg von Morges anzusehen sind wir weiter Richtung Rolle. In St. Prex liesen wir
uns auf einer Bank nieder um etwas Essbares zu uns zu nehmen. Das Wetter war heute auch mehr
diesig und sah nach Regen aus. Auf weiterem Weg begann es dann zunehmend zu regnen und die
Aussichten auf Sonne standen klar bei "0". Kurz vor ALLAMAN bekam Harald einen Anruf das sein
Onkel am Samstag beerdigt wird was bedeutete, dass er sich schon heute in den Zug setzte musste.
Es ist schon obscurse, dass sein Onkel ihn erst dazu bringt diesen Weg zu gehn da er ihn selbst schon
gegangen ist, ihm einen originellen Pilgerstock baut und schenkt und dann passiert sowas.
Er war selbst unterwegs um seine Alkoholprobleme in den Griff zu bekommen. Hats auch geschafft.
Er hinterlässt Frau und Tochter. Sein Sohn hat sich 2005 mit dem Auto derennt wie mir Harald sagte.
Das hatte ihn zu tief getroffen und mitgenommen da er auch selbst wusste, dass er sich bedingt durch
seine Alkoholprobleme nie richtig um seinen Sohn gekümmert hatte. Gott sei mit ihm.

Harald nimmts jedenfalls mit Fassung. Ich habe ihm geraten nach Lausanne zurück zu fahren um von
dort aus mit dem Zug nach Hause zu fahren. Er hängt unwahrscheinlich an diesem Weg und will ihn
um jeden Preis fortsetzen. Noch nie ist er weiter von daheim fort gewesen wie in diesem Augenblick
und es sollte noch weiter sein. Ein Flugzeug hatte er auch noch nie bestiegen.
Aber schon mal im Voraus: er wird bis Finisterra gehn und von Santiago aus mit dem Flieger die
Heimreise antreten.
Nach seinen Worten will er am Sonntag sofort wieder in den Zug steigen und über Lausanne nach
ALLAMAN fahren von wo aus er dann weiterläuft. Dieser Weg, wenn man sich mal drauf befindet,
ergreift Besitzt von einem. So solls auch sein und auch ich liebe und genieße dieses Gefühl.
Naja, jedenfalls ist Harald 13:53Uhr von ALLAMANN losgefahren.

Ich zog mir noch 2 Snickers am Automaten und trabte gemächlich weiter durch den
immer kräftiger werdenden Regen. Und es begann wirklich vom feinsten zu regnen.
In Rolle erkundigte ich mich nach einem Sportgeschäft um ein Regencape zu ergattern
aber dieser Versuch sollte scheitern. Mit der regenjacke bei diesem Wetter wird man
nicht glücklich nur nass. Unterwegs laß ich das Gland eine etwas größere Stadt sei und
verfolgte somit wieder die Spur nach einem geigneten Regenschutz. Unterwegs kam ich
an einer Mega-Villa vorbei. 3 gigantische schmiedeiserne Tore mit Vögeln, Blumen,
Blättern, Fasanen ect. Einfach nur unglaublich, wahrscheinlich ein Weingut. Trockner wurde
es dadurch aber auch nicht ;-)

Endlich in Gland angekommen - ich nahm die Straße - hielt ich Ausschau nach der Kirche
oder dem Centrum. dann endlich laß ich es: Gland Centre. Ich überquerte die Bahngleise
über eine Traverse, bog dann links ab und kam ins Centrum von Gland. Ich war völlig durchnässt.
In Bursinel habe ich unter einem großen Vordach etwas Pause gemacht und mein Brot von
gestern gegessen. Wäre zwar ein trockenes Nachtquartier gewesen aber ich glaubte an besseres.
In Gland war die Kirche verschlossen und beim Pfarrer keiner daheim was weiterhin Regen auf
mein Haupt versprach. Also ab ins Rathaus zum fragen doch denen viel auch nix besseres ein als
mich zum Pfarrer zu schicken.

Nebenan die Garage war leer, also hieß es warten bis sie wieder gefüllt mit zusammengabastelten
Autoteilen ist. In der Zwischenzeit ging ich zur Kirche deren Vordach mich vor weiterer Durchnässung
schützte. Nachdem ich auch in der Confiserie gegenüber nix süßes mehr bekam, beschloss ich schon
weiter nach NYON zu gehn. Einmal nass, naja das kenne ich ja aus meiner Kindheit. Warsde einmal
richtig nass war der Rest auch egal, es gibt irgendwann kein noch nässer.
Gland gedanklich schon im Rücken, bog ich ab und sah in meinem Augenwinkel das die Garage frisch
bestückt war. Yeah. Ein Freudesblitz zuckte durch mich. Ich ging hinüber und läutete abermals und
siehe da, Sesam öffnete sich mit einer freundlichen Dame im Blick. Ich gab mein Anliegen bekannt und
wurde mit einer herzlichen Geste hereingebeten. Die gute Fee sprach sogar deutsch was alles vereinfachte.
Sie zeigte mir mein Zimmer und den Heizungsraum wo ich das nasse Gezeug zum trocknen hängen durfte.
Sogar mein Schlafsack ist nass geworden da sich das Wasser an der Schutzplane bis runter gearbeitet
hat und dabei den Sack einnässte. Sensationell. Sie bot mir zu essen was ich jedoch dankend ablehnte
da ich selbst noch einiges dabei hatte. Nur beim Angebot von Wein konnte ich nicht widerstehn und nahm
dankend an.

"Clos de Barin - Grand Cru - Nyon 2003"
Ich machte es mir in der Küche gemütlich und bereitete mein Abendessen vor. Vom Wein ließ ich
sicherlich ein Viertel zurück. Habe mich oft gefragt warum. Bei dem Geschmack des roten Kehlchensaftes.
Es sollte wohl eine Art Anstand sein. Ich Trottel!
Es kam dann noch ein Kollege vom Herrn Pfarrer der hier arbeitet. Ein kurzer Smaltalk musste sein.
Irgendwie ists immer noch auf ne gewisse Art unangenehm sich einfach so bei fremden Leuten
einzuquartieren. Aber es funktioniert und ich bin ja ein netter Bursche ;-) der niemanden etwas schlechtes möchte.
Aber zur Kirche gehört man halt nicht und genau dieses Umfeld nimmt man hier ohne jeden Glauben an Christi
in Anspruch. Witzig ist auch, dass einem jeden Tag etwas anderes weh tut. Heute wars mal nicht der linke
sondern der rechte Fuß. Und morgen?

Und nochwas:
So schlimm wie der Grund ist, dass ich jetzt ohne Harald weiter laufe aber es war eine gewisse Art von Befreiung.
Endlich wieder alleine sein. ALLEIN!
Es ist einfach ein erfrischendes Gefühl sich um sich selbst kümmern zu müssen. Allein entscheiden ect..
Die Schritte werden kürzer, ich renne nicht mehr so und kann singen und pfeifen wie mir der Schnabel
gewachsen ist. Aber auf die Dauer??? Vielleicht gehts Harald genau so. Vielleicht laufen wir schon zu lange
gemeinsam? Morgen schaue ich das ich die Etappe bis Genf schaffe. Ich brauche unbedingt so einen Poncho.
Es ist schon irgendwie unangenehm nur zu nehmen und nicht zu geben, ich meine hier im Pfarrheim.
Ist das so oder soll ich mir da noch was spezielles einfallen lassen?
Habe heute morgen im YH an Anke und Bruno eine Mail geschrieben. Karten werde ich erst von Genf aus schreiben.
Hoffe auf einen gesunden Schlaf und das morgen früh alles trocken ist für die Weiterreise. Ich will so einen PONCHO.
Geh jetzt Zähne putzen.
Gute Nacht!

PS: Es ist egal ob ein Poncho ATMUNGSAKTIV ist oder nicht - es wichtig, dass man einen hat und er den Rucksack
mit schützt auch wenn dieser Wasserdicht zu scheinen mag!!!!!